„Von 110 % Einsatz auf 0 %“
Maria N.* ist die Seele eines Geschäftes in Linz. Aufgrund einer chronischen Krankheit hieß es, von einem Tag auf den anderen zu Hause zu bleiben, obwohl sie in einem systemrelevanten Bereich arbeitet. Diese Nachricht war einerseits eine große Erleichterung, löste anderseits aber auch das Gefühl aus, in dieser schwierigen Situation „nicht gebraucht“ zu werden.
Von 110 % auf 0 % Einsatz gestellt zu sein, fiel ihr am Anfang gar nicht so leicht. Normalerweise beginnt ihr Tag ja um 3:50 Uhr. Trotz dieser morgendlichen Stunde macht sie sich stets mit vollem Einsatz auf den Weg in die Arbeit. Doch nun stellte sich die Frage: „Was mache ich mit meinem Drang, etwas Sinnvolles zu tun?“ Maria N. empfand die anfängliche Ausgangssperre als sehr bedrückend. Das wechselte mit dem Gefühl der Dankbarkeit für die Möglichkeit, sich zu Hause vor dem Virus schützen zu können. Sie bezeichnet es im Nachhinein als eine Art „Corona-Schockstarre“.
Familie, Freundinnen und Freunde waren gerade zu Beginn eine große Stütze für sie. Schritt für Schritt hat sie angefangen, sich auf die neue Situation einzustellen. Den Augenblick zu genießen hat Maria N. inzwischen gelernt – auch wenn die zeitliche Frage, wann die Arbeit wieder losgeht, im Hinterkopf steht. Nun ist bereits Mitte Juni und sie ist in Kurzarbeit, ohne in der Arbeit zu sein. Sie kann jedoch zwischenzeitlich jeden einzelnen Tag als Geschenk annehmen, die Natur beim Walken genießen und im Garten der Schwiegertochter arbeiten.
Dankbar ist sie, dass sie nicht, wie viele andere, wegen Covid-19 Existenzängste haben muss.
Irritierend war, dass sie lange Zeit nicht wusste, ob sie nun der offiziellen Risikogruppe angehört oder ob sie gerade auf Zeitausgleich ist. Sorgen bereitet ihr, dass sie das Gefühl hat, die Regierung verteilt das Geld vor allem dorthin, wo es ohnehin schon ist. Ihr Zugang wäre die Einführung der Vermögensteuer und die Devise, niemand darf unter dem Mindestlohn verdienen.
Auf die Frage, was sie in dieser Zeit gelernt hat, antwort Maria N.: „Dass es mir wichtig geworden ist, nicht alles auf die Waagschale zu legen, verständnisvoller zu sein, sowie auf Regionalität und Bioprodukte zu achten. Aber auch, dass es legitim ist, mir meine eigene Meinung zu bilden.“
Ihre Hoffnung liegt darin, dass trotz Mundschutz, Plexiglas und Handschuhen die Handschlagqualität und die persönliche/menschliche Begegnung auf Augenhöhe nicht verloren gehen. Und dass die Arbeit nach dieser ‚Zwangspause‘ genau so viel Freude bereitet als vorher.
*) Name auf Wunsch geändert