Solidarität und Verantwortung – das Gebot der Stunde!
Auf die Frage, wie es ihm im Moment geht, antwortet Thomas, dass er die aktuelle Situation als zweischneidig empfindet. Auf der einen Seite ist es in den letzten Wochen „etwas ruhiger geworden“. Auf der anderen Seite war diese Zeit für ihn und seine KollegInnen sehr belastend. „Bis jetzt waren wir eine geschlossene Anstalt, dass war sehr belastend für uns MitarbeiterInnen, da kein Kontakt der BewohnerInnen zu ihren Angehörigen stattfand.“ Er macht die Erfahrung, dass die digitalen Möglichkeiten nur begrenzt einsetzbar sind. „Gerade Menschen mit Demenz sind auf Berührung und direkten Kontakt angewiesen, was nur zum Teil von uns Pflege- und Betreuungskräften kompensiert werden kann.“ Außerdem, erzählt Thomas, dürfen die BewohnerInnen aufgrund der behördlichen Bestimmungen das Stockwerk in dem sich ihr Zimmer befindet nicht verlassen. Damit wird ihr ohnehin schon eingeschränkter Bewegungsraum noch kleiner und lieb gewonnene „Ausflüge“, z. B. zum Eingangsbereich des Heimes, sind nicht mehr möglich.
Die MitarbeiterInnen beobachten dabei, welche massiven Auswirkungen diese Beschränkungen auf die Stimmung und die Lebensqualität der BewohnerInnen haben. Dadurch erleben Thomas und seine KollegInnen die Strenge der Beschränkungen und deren Sinnhaftigkeit als sehr ambivalent. Da sie ihre Kernaufgabe darin sehen, „das Leben im Heim für die BewohnerInnen lebenswert zu machen.“ Was nun nicht mehr nur „auf Grund der Arbeitsdichte nicht mehr so möglich ist, wie wir es für wichtig erachten“, sondern zusätzlich durch die Corona-bedingten Einschränkungen erschwert wird. Thomas zitiert dazu Cicely Saunders, nicht dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.
Thomas und seine KollegInnen, sind sich der großen Verantwortung in ihren Arbeitsbereichen bewusst. Private Kontakte werden in dieser Zeit auf ein Minimum reduziert und die eigenen Bedürfnisse zurückgestellt, um die BewohnerInnen nicht zu gefährden. Dabei begleitet sie ein hoher psychischer Druck, da sie durch ihren Beruf und den damit verbundenen wechselnden, mitunter sehr nahen Kontakten zu Menschen zur Hauptansteckungsrisikogruppe gehören. „Man weiß auch, dass man letztendlich nichts gegen das Virus tun kann. Auf der anderen Seite, die Gewissheit, dass wir als Berufsgruppe zur Hauptansteckungsrisikogruppe gehören und den Virus ja auch zu unseren Familien nach Hause tragen können.“
Zum Abschluss stelle ich Thomas die Frage, was ihn trägt und stärkt. Die Antwort kommt prompt: „Die Solidarität im Team und, dass wir trotz der Gefährdungssituation den Humor nicht verloren haben. Ich habe das Glück in einem Team zu arbeiten, das zusammenhält, wir konnten uns aufeinander verlassen. Da keiner in der Freizeit wo hingehen konnte, sind wir enger zusammengerückt. Mir ist bewusstgeworden, was soziale Kontakte „face to face“ für mich bedeuten.“ Für ihn und die meisten seiner KollegInnen ist ihre Arbeit die Ausübung ihres Wunschberufes. Sie wissen, welche große gesellschaftliche Bedeutung diese Berufe haben, nicht nur für die Menschen, die sie betreuen, sondern auch für sie selbst, wenn sie einmal auf diese Hilfe angewiesen sind. „Zu wissen, dass es was gibt, wo mir geholfen wird, wenn ich es brauche.“
Thomas hat es als Glück erlebt, in einem Beruf zu arbeiten, in dem er in dieser Zeit keine existentiellen Sorgen hatte. Er fühlt sich bei seiner Familie und seinem Freundeskreis „gut in der Fülle“.
Wichtig ist ihm, dass wir als Gesellschaft aus dieser Krise lernen. Dazu stellt er das herrschende Wirtschaftssystem, wo er Profit vor der Versorgungssicherheit der Menschen gereiht wahrnimmt, massiv in Frage. „Einer Handvoll Leuten gehören 50 % des Weltvermögens. In Anbetracht dessen, dass so viele Menschen sehr arm sind, ist das nicht in Ordnung. Der Lockdown hat gezeigt, dass vieles, was produziert wird, nicht in diesem Ausmaß benötigt wird. Ich kann mir jetzt gut ein System vorstellen, in dem die Gewinner einer technologischen Entwicklung alle Menschen sind und z. B. früher in Pension gehen können und ein bedingungsloses Grundeinkommen selbstverständlich ist.“
In den Ausführungen von Thomas wird eine uneingeschränkte Solidarität nicht nur mit den Menschen, die auf ihre Hilfe angewiesen sind, ein hohes Verantwortungsbewusstsein und die soziale und insbesondere fachliche Kompetenz, die Pflege- und Betreuungsfachkräfte auszeichnet, deutlich sichtbar.
Daher ist das erste, was wir aus diesen außergewöhnlichen Wochen lernen können, dass Menschen, wie Thomas und seine KollegInnen als ExpertInnen intensiv in die Bewältigung der bestehenden Herausforderungen, insbesondere im Pflege- und Betreuungsbereich, miteinbezogen werden und für ihre gesamtgesellschaftlich so wertvolle Arbeit jede erdenkliche Unterstützung bekommen.