Fachtagung Weltkirche: Plädoyer für nachhaltigen Lebensstil im Einklang mit der Natur
Ein brandaktuelles Thema, das 150 interessierte TeilnehmerInnen nach Lambach lockte. Vortragende waren der Nachfolger von Bischof Erwin Kräutler als Präsident des Indianermissionsrates CIMI, Erzbischof Roque Paloschi aus Porto Velho (Brasilien), Pater Ferdinand Muhigirwa SJ aus Lubumbashi (Kongo), der das Arrupe-Forschungs- und Bildungszentrums leitet, sowie Magdalena Holztrattner, Leiterin der Katholischen Sozialakademie Österreichs (ksoe). Veranstaltet wird die Tagung in Lambach gemeinsam vom Missionsreferat der Ordensgemeinschaften Österreich, der Koordinierungsstelle der Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission (KOO) und der Missions-Verkehrs-Arbeitsgemeinschaft (MIVA) in Zusammenarbeit mit anderen kirchlichen Hilfswerken und einzelnen Ordensgemeinschaften.
Stehend (v. l.): Heinz Hödl (Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission), Magdalena Holztrattner (Katholische Sozialakademie Österreichs), Emmanuel Mbolela (Kongo, Aktivist in Europa), Erzbischof Roque Paloschi (CIMI-Präsident, Brasilien).
Sitzend (v. l.): Abtpräses Christian Haidinger (Vorsitzender der Superiorenkonferenz der männlichen Orden Österreichs), P. Franz Helm (Generalsekretär der Superiorenkonferenz der männlichen Orden Österreichs), P. Ferdinand Muhigirwa SJ (Kongo, Leiter eines Arrupe Zentrums zur Ressourcen-Thematik), Sr. Beatrix Mayrhofer (Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden Österreichs.
© Manu Nitsch / Ordensgemeinschaften Österreich
Magdalena Holztrattner: Weniger ist mehr
Mit einem Aufruf zu einem genügsamen Lebensstil begann am Freitag, 22. Juli 2016 die diesjährige "Fachtagung Weltkirche 2016" in Stift Lambach begonnen. Laut Magdalena Hozltrattner, Direktorin der Katholischen Sozialakademie Österreichs (ksoe), brauche es die Entwicklung eines neuen Lebensstiles als Alternative zur Wegwerfkultur, eines Lebensstiles, der auf Genügsamkeit und Demut basiere. Diese Kultur der Genügsamkeit gehe einher mit einem Lebensstil, der prophetisch und auch kontemplativ ist, so Holztrattner in ihrem Vortrag am Freitag in Lambach.
Der Lebensstil, der Holztrattner vorschwebt, "ist fähig, sich zutiefst zu freuen, weil er nicht auf Konsum versessen ist", sei aber nicht gleichzusetzen mit einer weltabgewandten, moralinsauren oder lustfeindlichen Askese, verweist die ksoe-Direktorin auf Papst Franziskus. Eine ganzheitliche Ökologie, wie sie in Franziskus Enzyklika "Laudato si" gezeichnet werde, ziele ab auf Freude als dankbare Grundhaltung. Eine Grundhaltung, die getragen werde von der zärtlichen Liebe Gottes, der im Herz der Welt gegenwärtig ist.
Spiritualität eines Franz von Assisi
Der Weg dorthin brauche die Spiritualität eines Franz von Assisi, die durch eine fast kindliche Freude an der Schöpfung gekennzeichnet sei, so Holztrattner. Aber auch eine ganzheitliche Ökologie, die sich auf das Eigentliche der Schöpfung konzentriere. Dabei sei es wichtig, den Blick offen zu halten und den offenen Dialog zu suchen. Dieser müsse interdisziplinär und interreligiös sein und bevorzugt die Stimmen der Stimmenlosen in den Mittelpunkt stellen. Die Offenheit dieses Dialoges bestimme seine Qualität, so die ksoe-Direktorin.
Die Problematik sei der Fokus der Menschen auf technische Lösungen des Klimawandels und eine bedingungslose Kultur des Wegwerfens, die Hand in Hand mit einer "Verschnellerung" des Lebens- und Arbeitsrhythmus geht. Aber letztendlich "gilt die Würde des Menschen und das Gemeingut mehr als ein paar wenige, die auf ihre Privilegien nicht verzichten möchten", bringt Holztrattner Franziskus Botschaft auf den Punkt.
Magdalena Holztrattner, Katholische Sozialakademie Österreichs. © Manu Nitsch / Ordensgemeinschaften Österreich
Erzbischof Roque Paloschi: „Amazonien ist Paradies, aber auch grüne Hölle“
Danach machten zwei Erlebnisberichte äußerst betroffen: Erzbischof Roque Paloschi aus Brasilien und P. Ferdinand Muhigirwa aus dem Kongo kämpfen beide mit einem sehr ähnlichen Problem: Ein rohstoffreiches Land wird auf Kosten der Bevölkerung ausgeblutet.
Brasilien besitzt den größten Regenwald weltweit und ist eines der artenreichsten Gebiete dieser Erde. Hier findet sich nicht nur eine unermessliche Pflanzen- und Tiervielfalt, das tropische Urwaldgebiet ist auch ein unerschöpfliches Reservoir für medizinische Neuerkenntnisse und Neuschöpfungen. „Amazonien ist Paradies, aber auch gleichzeitig grüne Hölle“, weiß Erzbischof Roque Paloschi zu berichten.
Doch die grüne Lunge der Erde ist vehement bedroht; seit Jahren setzt sich der Nachfolger von Bischof Erwin Kräutler als Präsident des Indianer-Missionsrates CIMI für den Erhalt des Regenwaldes ein – und für die Rechte der indigenen Urbevölkerung, die dort lebt. Sie hatte bis zur Ankunft der Europäer den Regenwald nachhaltig genutzt. In der jüngsten Vergangenheit wurden durch die brasilianische Regierung massive Umweltzerstörungen unternommen. Die radikalen Landnutzungsänderungen und die daraus resultierende Zerstörung der Umwelt fügten den Wäldern immense Schäden zu.
Brasilien besitzt den größten Regenwald weltweit und ist eines der artenreichsten Gebiete dieser Erde. Hier findet sich nicht nur eine unermessliche Pflanzen- und Tiervielfalt, das tropische Urwaldgebiet ist auch ein unerschöpfliches Reservoir für medizinische Neuerkenntnisse und Neuschöpfungen. „Amazonien ist Paradies, aber auch gleichzeitig grüne Hölle“, weiß Erzbischof Roque Paloschi zu berichten.
Erzbischof Roque Paloschi (l.) aus Brasilien, Nachfolger von Bischof Erwin Kräutler als Präsident des Indianer-Missionsrates CIMI, und Generalsekretär P. Franz Helm, Superiorenkonferenz der männlichen Orden Österreichs, der die Fachtagung Weltkirche in Vertretung der Ordensgemeinschaften Österreich mitorganisiert hat. © Manu Nitsch / Ordensgemeinschaften Österreich
Doch die grüne Lunge der Erde ist vehement bedroht; seit Jahren setzt sich der Nachfolger von Bischof Erwin Kräutler als Präsident des Indianer-Missionsrates CIMI für den Erhalt des Regenwaldes ein – und für die Rechte der indigenen Urbevölkerung, die dort lebt. Sie hatte bis zur Ankunft der Europäer den Regenwald nachhaltig genutzt. In der jüngsten Vergangenheit wurden durch die brasilianische Regierung massive Umweltzerstörungen unternommen. Die radikalen Landnutzungsänderungen und die daraus resultierende Zerstörung der Umwelt fügten den Wäldern immense Schäden zu.
Brasilien benötigt Energie, die durch Mega-Wasserkraftwerke produziert werden. In der Folge wurden Flüsse aufgestaut und riesige Gebiete unter Wasser gesetzt. Großflächig wurden Soja- und Maisfelder angelegt und Weideland für Rinderherden gerodet. Dazwischen graben sich Bergbaufirmen auf der Suche nach Rohstoffen rücksichtslos durch die Erde. Die Leidtragenden sind die indigenen Völker. „Sie werden als ‚Barbaren ohne Seele‘ gesehen“, erzählt Erzbischof Paloschi. „Weil sie das Land nicht ausbeuten, werden sie als dumm betrachtet.“ Die Folgen sind dramatisch: „Die Regierung sagt, je schneller die Indios verschwinden, desto besser“, so Paloschi. „Das Gebiet wird ‚entindigenisiert‘.“ Die Koalition zwischen brasilianischer Regierung, Großgrundbesitzer und multinationaler Konzerne geht gnadenlos gegen die indigene Urbevölkerung vor. Paloschi: „Die Indigenen Völker werden wie Natur unterworfen und ausgebeutet. Sie haben wiederholt massive Gewalt von Seiten paramilitärischer Gruppen erleiden müssen. Man kann durchaus von einem Genozid sprechen.“
Die Kirche setzt sich für die Rechte der indigenen Völker ein; eine große Anzahl von Missionarinnen und Missionaren, die bei ihnen leben und mit ihnen leiden, sind gleichsam die Blutzeugen.
Doch gerade die Urbevölkerung hat gezeigt, wie man in Übereinstimmung mit der Natur leben kann. „Sie lebt die Lösung in Amazonien“, zeigt sich Erzbischof Paloschi überzeugt. „Die indigene Völker sind die Samenkörner der Lösung und die Problemlöser für Mutter Erde.“
P. Ferdinand Muhigirwa: Kampf gegen „Konfliktmineralien“
Ähnliches berichtet auch der zweite Referent des Nachmittags: Der Jesuit P. Ferdinand Muhigirwa stammt aus der Demokratischen Republik Kongo. Das Land, ca. 25 Mal so groß wie Österreich, ist eines der rohstoffreichsten Gebiete dieser Welt. Große Teile des Staatsgebietes sind von tropischem Regenwald (dem weltweit zweitgrößten) bedeckt. Der Kongo ist reich an Bodenschätzen: Unermessliche Mengen an Diamanten, Gold, Kupfer, Coltan, Mangan, Blei, Zink, Zinn und Erdöl wären der Garant für landesweiten Wohlstand.
Dennoch liegt der Durchschnittsverdienst der Bevölkerung bei nur 1,8 Dollar pro Tag. Der Kongo zählt, bedingt durch jahrzehntelange Ausbeutung, Korruption, jahrelange Kriege und ständige Bevölkerungszunahme, trotz seines Rohstoffreichtums zu den ärmsten Ländern der Welt. Im Human Development Index der Vereinten Nationen nahm der Staat im Jahr 2013 den vorletzten Platz ein.
Dieses Paradoxon zwischen reichem Land und armer Bevölkerung hat den Hintergrund, vereinfacht gesprochen, darin, dass die Wirtschaft fest in den Händen von multinationalen Konzernen liegt. “Wo es Minen gibt, kann es keinen Frieden geben“, sagt P. Muhigirwa. „Konflikte, Gewalt, sexuelle Gewalt, sind automatisch die Folge.“ Rund ein Drittel der 71 Mio. Leute umfassenden Bevölkerung arbeitet in Minengebieten, die hauptsächlich von ausländischen Großkonzernen betrieben werden. Dabei wird auf Mensch und Natur keinerlei Rücksicht genommen; Wasser-, Luft- und Bodenverschmutzungen gehen Hand in Hand mit vehementen Menschrechtsverletzungen. Dazu kommt auch, dass immer mehr Bauern ihr Land verlieren und dadurch die Nahrungsversorgung der Bevölkerung nicht mehr gewährleistet ist.
P. Ferdinand Muhigirwa SJ (Kongo, Leiter eines Arrupe Zentrums zur Ressourcen-Thematik. © Manu Nitsch / Ordensgemeinschaften Österreich
P. Ferdinand Muhigirwa leitet seit 2013 Leiter des Arrupe-Forschungs- und Bildungszentrums in Lumbumbashi (Kongo). Als Experte zur Thematik Rohstoffe fokussierte er sich auf den Bereich Konfliktmineralien. „Der Name kommt aus dem Dodd-Frank-Act, ein Gesetz, das in den USA am 1. Juli 2010 verabschiedet wurde“, berichtet der Jesuit. Der Paragraph 1502 bezieht sich dabei auf Rohstoffe, deren Abbau illegal und außerhalb staatlicher Kontrolle und/oder durch systematische Menschenrechts- und Völkerrechtsverletzungen stattfindet. US-Unternehmen müssen seitdem einen gesonderten Unternehmensbericht über die Herkunft, vor allem von Zinn, Coltan, Wolfram sowie Gold abliefern. Dies zielte auch ausdrücklich auf den Kongo ab. Doch bisher machten viele US-Unternehmen von der Bezeichnung „conflict undeterminable“ Gebrauch und veröffentlichten noch keine relevanten Informationen.
In Europa veröffentlichte die EU-Kommission im März 2014 einen ersten Verordnungsentwurf, der sich seither in der Überarbeitungsphase befindet. P. Ferdinand Muhigirwa sieht es auch als seine Aufgabe, Aufklärungsarbeit zu betreiben, damit diese Gesetze und Gesetzesentwürfe nicht zahnlos bleiben. Das Arrupe-Zentrum in in Lumbumbashi arbeitet an einer christlichen Version einer wirtschaftlichen Entwicklung. „Es geht um soziale Gerechtigkeit“, sagt P. Muhigirwa. „Und das können wir nur erreichen, wenn wir unseren Lebensstil ändern.“